
MUTTERSCHAF
mothering the mother

AUSGANGSPUNKT
Vor einiger Zeit war eine meiner besten Freundinnen mit ihrer kleinen Tochter bei uns. Die Kinder spielten, wir sassen in der Küche und die Mittagessenszeit nahte. Ich hatte eine Linsensuppe mit Gemüse und allerlei Gewürzen vorgekocht. Bevor ich die Suppe für uns aufwärmte, füllte ich für meine Grosseltern und unsere kranke Nachbarin drei Portionen in Einmachgläser um. Meine Freundin stand lächelnd daneben und meinte: "Das bist so sehr du: Riesige, dampfende Töpfe auf dem Herd, aus denen du für allerlei Menschen schöpfst, um ihnen etwas Gutes zu tun."
Muttersein als Lebensgefühl
Dieses Bild hat mich sehr berührt, da ich mich bis dahin nicht selbst so beschrieben hätte - aber es passte hervorragend zu einem Gefühl, das mich schon viele Jahre begleitet: Ich bin gerne Mutter. Ich war auch schon gerne Mutter, als ich 20 war ohne eigenes Kind, aber im Kinderheim arbeitend. Ich war schon immer gerne Mutter für Menschen in meinem Umfeld und manchmal auch Fremde, viele viel älter als ich, wenn ich sie in irgendeiner Not sah oder erahnte. Andere nennen es vielleicht Helfersyndrom. Und in den letzten Jahren hat sich das Kochen und Bekochen tatsächlich zu meiner love language entwickelt.
Dann wurde ich wirklich Mutter eines waschechten Kindes und ich hatte das grosse Glück einer wunderschönen Geburt im Geburtshaus, eines ruhigen, kraftspendenden Wochenbettes und einem äusserst zufriedenen Baby, mittlerweile Kleinkind. Mir ist sehr bewusst, dass dies alles keine Selbstverständlichkeit ist. Meine Erfahrungen rund um die Geburt und die Zeit danach haben mich so sehr geprägt und erfüllt, dass ich eine neue innere Ausrichtung spüre und mich dazu entschieden habe, Doula zu werden und andere Frauen und Familien auf ihrem Weg begleiten zu wollen.
«Mothering the mother»
Auf Deutsch würde man sagen: die Mutter bemuttern, und mir ist klar, weshalb man da lieber die englische Version verwendet. «Bemuttern» hat in der deutschen Sprache einen schalen Beigeschmack, ein bisschen «zu viel», ein bisschen «zu gut gemeint». Was früher tatsächlich die Mutter und Grossmutter waren, da sie im selben Haus lebten (und oftmals schon die Geburt begleitet hatten), sind heute der Lieferdienst und die Putzfrau – sofern man sich dies leisten kann. Hat man Glück, wird man im Wochenbett noch von einer Hebamme begleitet oder erhält Unterstützung von Familie und Freunden. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Unterstützung nach der Geburt nimmt zu, zumindest nehme ich dies in meinem Umfeld wahr. Mehrheitsfähig scheint es aber noch nicht zu sein; wenn der Partner oder die Partnerin nach zwei Wochen Elternschaftsurlaub wieder arbeiten geht, bleibt die Mutter alleine zuhause mit dem Neugeborenen, allenfalls noch mit weiteren Kindern. Familie und Freunde haben alle das Baby schon mal gehalten, im besten Falle etwas zu essen mitgebracht und den Staubsauger kurz in die Hand genommen, die erste Begeisterung hat sich gelegt – dann geht der Alltag normal weiter und dem Beckenboden, den Geburtsverletzungen, den wunden Brustwarzen, dem Hormonchaos der Mutter ist dies herzlich egal.
Weil ich es so gut hatte und im Rückblick doch auch sehe, was ich als Frau und Mutter und wir als Familie doch noch mehr gebraucht hätten, möchte ich aus diesen Erfahrungen schöpfen und frischgeborene Mütter und ihre Familien in den ersten Wochen damit unterstützen, was ich besonders gut kann und gerne mache: bemuttern und bekochen.
Deshalb biete ich für Familien im Wochenbett frischzubereitete, auf die Bedürfnisse des Körpers nach einer Geburt abgestimmte Mahlzeiten und Snacks und deren Heimlieferung an.
Im Laufe der kommenden Jahre soll daraus auch eine facettenreiche Doula-Tätigkeit entstehen, sobald dies besser zu unserem Familienleben passt – bis dahin schwinge ich mit viel Herz und Gewürzen die Kochlöffel für euch!

WIE KAM ICH ZUM KOCHEN?
Als ich 2013 für ein Jahr in einem Camphill in Israel lebte und arbeitete, wurde mir an meinem zweiten Tag dort mitgeteilt, dass ich im kommenden Jahr für das Mittagessen der sieben Bewohner*innen und der 5-7 Mitarbeiter*innen verantwortlich sein werde - jeden Tag also für mindestens 12 Personen kochen, manchmal kamen Gäste dazu. Ich wünschte mir und den anderen viel Glück, da mein kulinarisches Repertoire bis dahin ungefähr aus Spaghetti, Rührei und einer Gemüsepfanne bestand. Und dann lernte ich in diesem Jahr zu kochen, und zwar so richtig - mit dem, was gerade da war und fast immer improvisierend. Am Anfang war ich damit ganz schön überfordert und es gab zwei, drei Mittagessen, bei welchen man noch ein paar Scheiben Brot als Alternative auf den Tisch stellen musste, da ich z.B. noch nie zuvor Süsskartoffeln zubereitet hatte und mein Versuch kläglich gescheitert war. Schon bald aber stand ich nicht mehr gestresst, sondern voller Tatendrang in der Kühlkammer und habe jeden Morgen das frische, oftmals selbstangebaute Gemüse für das Mittagessen ausgesucht und dadurch eine grosse Begeisterung, geradezu Ehrfurcht für das Verarbeiten und Zubereiten der knallroten Tomaten, der prallen Auberginen und riesigen Kohlköpfen entwickelt. So ist denn mein Kochen nach wie vor eher von Gemüse in allerlei Variationen und verschiedenen Getreiden geprägt als von Spätzli mit Rahmsauce.
Aus einer Köchin-aus-Notwendigkeit wurde ich also zur Köchin-aus-Freude; dies finde ich immer wieder eine ganz schön praktische Eigenschaft, da man ja sowieso etwas essen muss. Freude an schönem und krummem Gemüse, an den unverwechselbaren Geschmäckern und Gerüchen von Getreidesorten wie Grünkern oder Quinoa. Freude an Gewürzexperimenten und daran, zu wie vielen Gerichten eine Prise Zimt sich doch eigentlich ganz hervorragend macht. Freude, wenn ich koche und weiss, dass meine Familie oder Gäste beim Heimkommen von anregenden Gerüchen begrüsst werden. Freude daran, dass ich frisches Sauerteigbrot backen und meinen Grosseltern bringen kann, das mein Grossvater vor 75 Jahren als Kind gerne gegessen hat. Unendliche Freude daran, mit meiner kleinen Tochter zu kochen und backen - auch wenn es dreimal so lange dauert und die Küche danach eine Grundsanierung benötigt. Freude daran, anderen eine Freude zu machen und ganz oft auch mir selbst - denn zufällig koche ich nicht nur gerne, sondern esse auch mit Freude.
Als ich nach der Geburt unserer Tochter ein Jahr mit sehr schmerzhaften, belastenden Zyklen erlebte, habe ich angefangen, mich näher mit zyklischer Ernährung zu befassen - da lag auch die Ernährung im Wochenbett nicht fern und als in unserem Umfeld gleich zwei enge Freundinnen innerhalb einer Woche ihre Kinder gebaren, war schnell klar, dass ich sie mit Mahlzeiten, Snacks und Getränken unterstützen wollte, welche auf die Bedürfnisse des Körpers nach einer Geburt und vorhergehenden Schwangerschaft abgestimmt waren.
So entstand auch die Idee zu "Mutterschaf" und hier bin ich nun!