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(k)eine Selbstverständlichkeit

  • rahelmeshorerharim
  • 27. Jan. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Vor einiger Zeit sassen wir im Café, die kleine Bohne spielte in der Kinderecke, mein Partner holte für uns Kaffee und kam zudem mit einem Stück Kuchen zurück. Die kleine Bohne sah dies, rannte zu uns und kletterte auf ihren Stuhl, bevor sie das ganze Kuchenstück nahm und freudig zubiss. Wir lachten und ich dachte: "So ganz selbstverständlich."


Dass ich das dachte, gefiel mir nicht. Ich höre immer wieder, wie Erwachsene über Kinder, auch ganz kleine Kinder, sagen: "Als ob das selbstverständlich wäre!" Oftmals wird dieser Satz zwar von einem Lachen begleitet, es schwingt in meinen Ohren aber auch immer mit: "Jetzt ist das vielleicht noch süss, aber passt bloss auf!" Gerade auch aus älteren Generationen heisst es manchmal, dass man "die Kinder" zu Dankbarkeit erziehen muss.

Natürlich möchte ich auch, dass die kleine Bohne sich in Zukunft bedankt, wenn sie etwas - Materielles und Immaterielles - kriegt, wenn ihr jemand hilft. Schon jetzt kennt sie die Gebärde für "Danke" und wenn ich mich an ihrer Stelle bei jemandem bedanke, so gebärdet sie dies. Wir leben es ihr vor, so gut es geht. Aber ich denke nicht, dass man ein Kind "zu Dankbarkeit erziehen" kann, denn Dankbarkeit ist kein Prinzip und keine Theorie, sondern kommt aus dem Herzen (wenn sie echt ist).


Diese hervorgehobene Selbstverständlichkeit hat, so glaube ich, mit der Haltung und Erwartung zu tun, dass ein Kind dankbar sein soll und dass es eigentlich ein bisschen in unserer Schuld steht, ein bisschen weniger, ein bisschen kleiner (im Wesen) ist als wir. Immerhin tun wir so viel für ein Kind, verzichten auf vieles, etc. - natürlich, aber so ist das nun mal. Dies verhindert Beziehung auf Augenhöhe, wobei eine Beziehung auf Augenhöhe mit einem Kind nicht heissen darf, dass wir es zu uns emporheben und ihm dieselbe Entscheidungsmacht zugestehen wie uns Erwachsenen, sondern vielmehr, dass wir uns zum Kind hinbeugen.


Ein Kind auf Augenhöhe begleiten heisst (für mich), dass ich seine Erziehung an seinem Entwicklungsstand orientiere; dass ich ihm so viele Freiheiten gebe, wie möglich sind, und klar die Grenzen abstecke, die nötig sind. Dass ich so mit ihm spreche und kommuniziere, dass es mich verstehen kann. Labere ich - buchstäblich - von oben herab auf das Kind ein, muss ich mich nicht wundern, wenn es nicht zuhört. Es kann dann nämlich gar nichts ankommen - und das Kind spürt nur die Gereiztheit ihm gegenüber und hat keine Ahnung, weshalb eigentlich.

Vielleicht etwas ausschweifend, aber ich glaube, dass diese "Als ob xy selbstverständlich wäre"-Haltung eigentlich daher kommt, dass es in unserer Sozialisation sehr verinnerlicht ist, dass Kinder dankbar sein sollten und dass sie eben nicht auf Augenhöhe sind mit uns. Was sie ja tatsächlich nicht per se sind - deshalb ist es meine Verantwortung als Elternteil, diese Augenhöhe herzustellen durch mein Verhalten und Handeln.


Ja, das ist auch meine Sozialisation. Wenn die kleine Bohne ein Geschenk erhält, ertappe ich mich dabei, wie ich hoffe, dass sie - da sie sich noch nicht verbal bedanken kann - Freude ausdrückt über das Geschenk. Als wäre es unhöflich und würde auf mich zurückfallen, wenn sie eine andere Reaktion zeigt. Das ärgert mich und deshalb nahm ich mir vor, dem "selbstverständlich"-Gedanken eine neue Richtung zu geben.

Ich möchte ab sofort denken: Wie schön! Die kleine Bohne fühlt sich so wohl und angenommen, dass sie keine Angst haben oder zögern muss, sich einfach von etwas zu nehmen, von dem sie ja sowieso etwas gekriegt hätte. Den Kuchen hat sie dann nämlich nicht etwa alleine aufgegessen, sondern nach dem ersten Biss Stücke für uns abgebrochen und uns damit gefüttert.


Das schien für sie ganz selbstverständlich zu sein.




 
 
 

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